Ist nicht mit einer Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushaltes zu rechnen, so sind bei der Festlegung des ehelichen Trennungsunterhalts bereits die für den nachehelichen Scheidungsunterhalt geltenden Kriterien von Art. 125 ZGB sinngemäss mitzuberücksichtigen (vgl. BGE 147 III 301 ff., 307, Erw. 6.2).

In seinem zur Publikation vorgesehenen Entscheid BGer 5A_849/2020 vom 27. Juni 2022 stellt das Bundesgericht nun klar, was mit «sinngemäss» gemeint ist.

  • Sinngemäss Anwendung auf den ehelichen Unterhalt findet demnach einzig der aus dem Scheidungsunterhalt stammende Grundsatz, wonach beide Ehegatten den gebührenden Unterhalt nach Möglichkeit aus eigener Anstrengung erwirtschaften sollen (Vorrang der Eigenversorgung).
  • Nicht auf den ehelichen Trennungsunterhalt anzuwenden ist hingegen der vom Bundesgericht aus Art. 125 Abs. 1 ZGB abgeleitete Grundsatz der zeitlichen Limitierung des Unterhalts, wie er für den nachehelichen Scheidungsunterhalt gilt.

Das Bundesgericht betont, solange die Ehe nicht geschieden sei, komme der Art. 163 ZGB zugrunde liegende Gleichbehandlungsgedanke zum Tragen. Dieser besagt, dass beide Ehegatten in gleicher Weise und grundsätzlich unabhängig von Kriterien wie Lebensprägung und Ehedauer im Rahmen der verfügbaren Mitteln Anspruch auf Fortsetzung des gemeinsam gelebten Standards haben. «Unterhaltsbegrenzend» wirkt gemäss der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur eine tatsächliche oder hypothetische Eigenversorgung (bzw. die entsprechende Obliegenheit hierzu).